Friedensnobelpreis 1979: Mutter Teresa

Friedensnobelpreis 1979: Mutter Teresa
Friedensnobelpreis 1979: Mutter Teresa
 
Die katholische Nonne albanischer Herkunft wurde für ihren aufopferungsvollen Kampf gegen Hunger und Armut vor allem in den Elendsvierteln von Kalkutta ausgezeichnet.
 
 
Mutter Teresa, eigentlich Agnes Gonxha Bojaxhio, * Skopje 27. 8. 1910, ✝ Kalkutta 5. 9. 1997; 1928 Eintritt in den irischen Missionsorden der Schwestern von Loreto, 1931-48 Lehrerin an der Loreto-Ordensschule in Kalkutta, 1948 Austritt aus dem Loretokloster, Krankenpflegeausbildung, 1950 Gründung des Ordens der Missionarinnen der Nächstenliebe, ab 1955 Errichtung von Sterbehäusern, Leprastationen und Kinderheimen in Indien, ab 1960 auch in anderen Erdteilen.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Mutter Teresa hat von den Frauen, die in ihren Orden Missionarinnen der Nächstenliebe eintreten wollten, immer viel verlangt. »Wir brauchen Leute, die die Ärmel hochkrempeln und sich nicht zu schade sind, sich in der Gosse die Finger schmutzig zu machen, Lumpen von schwärenden Wunden zu reißen, Sterbende von Kot, Urin und Ungeziefer zu säubern, Leprakranke zu füttern und die Leichen von weggeworfenen Säuglingen aus Müllkästen zu holen. Wer sich das zutraut, der ist bei mir immer willkommen.«
 
Die Schwestern leben nach strengen Regeln ohne jeden Luxus und müssen sich in ihrem Gelübde nicht nur zu Armut, Keuschheit und Gehorsam verpflichten, sondern auch zu einem lebenslangen Dienst an den Bedürftigen der Slums. Doch trotz dieser hohen Anforderungen wollen, auch nach Mutter Teresas Tod, mehr junge Frauen ihrem Orden beitreten, als dieser aufnehmen kann.
 
 Aus Agnes wird Teresa
 
Als Mutter Teresa als Agnes Gonxha Bojaxhio 1910 in Skopje, der heutigen Hauptstadt Makedoniens, geboren wird, gehört die Stadt noch zum Osmanischen Reich. Ihr gutbürgerliches albanisches Elternhaus zählt zur katholischen Minderheit. Die tiefe Religiosität und Barmherzigkeit ihrer Mutter wird für das junge Mädchen zum Vorbild.
 
Schon früh interessiert es sich für die Mission in Indien und verspürt den Wunsch, Nonne zu werden. Im November 1928 verlässt Agnes ihr Elternhaus in Skopje und tritt in Dublin in das Kloster der Loreto-Schwestern ein, ein pädagogisch tätiger Orden, der sich vor allem um die Schulbildung von Mädchen aus unteren sozialen Schichten kümmert. Schon wenige Wochen später reist sie nach Darjeeling in Nordostindien, um dort ihr Noviziat anzutreten.
 
1931 legt Agnes Bojaxhiu die zeitlich befristeten Ordensgelübde ab (1937 werden die ewigen Gelübde folgen) und nimmt zu Ehren der heiligen Thérèse von Lisieux den Ordensnamen Teresa an. Man schickt sie in einen Vorort von Kalkutta. In der dortigen Ordensschule wird sie die höheren Töchter indischer Familien unterrichten und ab 1940 der Schule als Oberin vorstehen. Doch jenseits der Mauern des Ordenskonvents erstreckt sich eines der Elendsviertel von Kalkutta, in dem Arme, Kranke und Waisen unter schlimmsten Bedingungen dahinvegetieren. Der Wunsch, diesen Elenden zu helfen, wird bei Teresa immer stärker und am 10. September 1946, am Tag ihrer »zweiten Berufung«, wie sie es später nennen wird, entschließt sie sich, den Loreto-Orden zu verlassen, um für die Ärmsten der Armen dazusein.
 
Zunächst absolviert sie in Patna eine Erste-Hilfe- und Krankenpflegeausbildung und beginnt danach ihre Arbeit in einem der zahlreichen Slums von Kalkutta. Sie eröffnet zuerst eine Schule unter freiem Himmel und kann dann durch eine Spende zwei Räume anmieten, in denen sie ihre Schulklasse und eine Krankenstation unterbringt.
 
Bald schließen sich Mutter Teresa zehn Mitstreiterinnen an, die meisten von ihnen ehemalige Schülerinnen aus der Loreto-Ordensschule. Mit ihnen gründet die Nonne die neue Ordensgemeinschaft Missionarinnen der Nächstenliebe (Missionaries of Charity), die am 7. Oktober 1950 vom Vatikan offiziell anerkannt wird. Ordenstracht wird der inzwischen berühmte weiße Sari mit den drei blauen Streifen.
 
 Das Hilfsimperium wächst
 
Nach wenigen Jahren ist die neue Ordensgemeinschaft bereits auf 30 Schwestern angewachsen. 1952 eröffnet Mutter Teresa »Nirmal Hriday«, das »Heim des reinen Herzens«, das Sterbehaus für Arme neben dem hinduistischen Kali-Tempel in Kalkutta. Drei Jahre später kann das erste Kinderheim des Ordens eingeweiht werden. 1959 wird die erste Lepraklinik in Titagarh gegründet. Diesen »Keimzellen« der karitativen Ordensarbeit folgen viele weitere in Indien und mit der Eröffnung eines Hauses in Venezuela beginnt 1965 das weltweite Engagement der Missionarinnen der Nächstenliebe. Mittlerweile findet man ihre Einrichtungen nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch an sozialen Brennpunkten der Industrienationen: in New York, Berlin, Moskau unterhalten sie Suppenküchen für Obdachlose, Hospize für Aidskranke und Heime für Drogenabhängige.
 
Neben der aufopferungsvollen Arbeit in den Armenvierteln von Kalkutta unternahm Mutter Teresa seit den frühen 1960er-Jahren regelmäßig Reisen, um Spenden zu sammeln. Die unscheinbare Ordensfrau war, was ihre eigene Person anbelangt, äußerst bescheiden: »Ich bin nur ein kleines Kabel, Gott ist der Strom«, lautete ihr Motto. Die Sache der Bedürftigen verfolgte sie jedoch selbstbewusst und unbeirrt, mitunter stur und mit einem geradezu naiven Gottvertrauen, und wurde so für viele zum Inbegriff von Selbstlosigkeit und Nächstenliebe. Mit wachsender Popularität geriet sie zwar wegen ihrer extrem konservativen Ansichten — sie lehnte Verhütungsmittel, Abtreibung, Ehescheidung und liberale Strömungen in der katholischen Kirche strikt ab — ins Kreuzfeuer der Kritik, erhielt für ihre Arbeit aber zahlreiche Auszeichnungen. 1979 schließlich ehrte das Nobelkomitee Mutter Teresas Lebenswerk, weil sie durch ihren »Kampf gegen Armut und Elend in der Welt« einen großen Beitrag zur Erhaltung des Friedens geleistet habe. Besonders hervorgehoben wurde ihre Lebensphilosophie, einem auf dem christlichen Glauben basierenden Respekt gegenüber dem einzelnen Menschen und seiner Würde. »Die Einsamen, Armen und Elenden, um die sie sich gekümmert hat, haben ohne jede Herablassung ihr Mitgefühl und ihre Hilfe erfahren.«
 
Die Verleihung des Nobelpreises machte Mutter Teresa weltberühmt. Man kennt die kleine gebückte Gestalt ist rund um den Globus, und die Spenden flossen in den fast 20 Jahren ihres weiteren Wirkens so reichlich, dass ihr Orden weiter expandieren konnte. Und allen Befürchtungen zum Trotz, die Missionarinnen der Nächstenliebe würden ohne ihre Leitfigur scheitern, hat das Werk Mutter Teresas auch nach ihrem Tod Bestand: Unter der neuen Oberin Schwester Nirmala sind seitdem 70 neue Häuser gegründet worden, und der Orden verzeichnete zu seinem 50-jährigen Bestehen im Herbst 2000 fast 5000 Schwestern, 800 Brüder aus dem 1963 gegründeten männlichen Zweig des Ordens sowie Zehntausende freiwilliger Helfer, die in 670 Häusern in 125 Ländern über eine Million Kranke, Notleidende und Kinder versorgen.
 
S. Straub

Universal-Lexikon. 2012.

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